Über Slashdot bin ich auf eine sehr gute Reportage bei Politico.com aufmerksam geworden, die sich mit dem Widerstand von Eltern gegen die Dauer-Evaluation ihrer Kindern beschäftigt. Sie kritisieren insbesondere die nicht absehbaren Folgen des Data Mining und den möglichen Verkauf der daraus entstehenden Daten und haben auch schon erste Erfolge erzielt
Ein erstere Erfolg dieser Protestbewegung, die sich erst im 2013 sichtbar formte, war die Einstellung des inBloom Programms. Dabei handelt es sich um eine von der Gates Foundation geförderte, nach eigenen Angaben, gemeinnützige Organisation deren Ziel die Erstellung einer Datenbank und zugehöriger Software war mit der Lehrer_innen Empfehlungen für Lerninhalte gemacht werden sollten, die auf Daten der Schüler_innen basieren. Für die Idee, stärker auf die individuellen Eigenschaften (und Bedürfnisse) angepasste Lernmaterialen und Aufgaben automatisiert zu ermitteln und dadurch potentiell Lehrer_innen zu entlasten, hat inBloom auch viel Support von Lernforscher_innen erhalten. Nach Protesten wurde das Projekt aber im Frühjahr 2013 eingestellt.
Die Sorge der Eltern war einerseits, dass sich die „automatisierte Personalisierung“ eben nicht zu einer besseren Förderung, sondern zu einer größeren Distanz zwischen Schüler_innen und Lehrer_innen führen würden. Anderseits bestanden aber auch Zweifel an den gemeinnützigen Zielen von inBloom, etwa dass die Daten, die mit inBloom erstmals US-weit zentralisiert werden würde, später verkauft werden könnten. Die Kritik von Initiativen wie „More Than a Score“ richtet sich dabei aber auch grundsätzlich gegen ein auf Daten und Metriken ausgerichtetes Schulsystem, das auf Vergleichbarkeit der Schulen und Schüler_innen über einheitliche Tests setzt. „Data Privacy“ als Faktor kam dann dazu als mit inBloom ein nicht-staatlicher Akteur als Datenhändler_in eingesetzt werden sollte.
inBloom sollte auf über 400 Datenpunkten operieren, die sich nicht nur auf Schüler_innen sondern auch auf das Lehrpersonal bezogen und bei denen nur in den wenigstens Fällen klar war, welchen Zweck die Speicherung hätte. Noch einsehbar ist eine Liste mit Datenfeldern die sich sowohl auf die schulische Leistung aber vor allem auf Abweichungen (disziplinarische Maßnahmen, deren Ursache, Länge, Typ, sogar der Ort) beziehen. Dazu kommen noch die Art der Ernährung in der Schule und den familiären Hintergrund. Die Kritiker_innen nehmen außerdem schon Bezug auf Forschung bei der Eye-Tracking und Biosensoren für Ziele wie die von inBloom verwendet werden und zeichnen sehr dystopische Bilder (da darf ein 1984 Bezug natürlich nicht fehlen ;)).
Für die Vertreter_innen der Data-Driven Education scheint es, so der Politico-Artikel, vor allen Dingen eine Frage des Marketings zu sein, die Sorgen der Erziehungsberechtigen aus dem Weg zu räumen. Doch inBloom wurde eingestellt trotz so guter Erzählungen wie die der Data Quality Campaign, die die Vorteil des Data Minings des Lernerfolgs der Kinder hervorheben (siehe diese Infografik). In der Praxis ist es dann aber doch komplexer, einerseits weil unklar ist wie die Einschätzungen die aus den Daten ermittelt werden zu Stande kommen, wenn etwa, wie im Artikel berichtet, die genauen Daten für die Eltern nicht einsehbar sind. Andererseits weil die diffuse Sorge über die negativen Potentiale der Datensammlungen sich nicht so leicht von den Heilsversprechen ausbooten lassen.
“We don’t know what they’re tracking and we don’t know what the implications are going to be for these children in the future,” Eppolito told TheBlaze TV. “Going for jobs in the future, trying to get into college — we’re in uncharted territory and we just don’t know the implication it’s going to have for the children. We need to slow down.”1
Und die Widersprüche in den Zielen lässt sich auch nicht so leicht auflösen. Während die Schulbehörden hoffen im Nachhinein herauszufinden was vielleicht schon im Kindergarten bei denen schief gelaufen ist, die später die Highschool abbrechen, und dafür die Schulen in die Verantwortung nehmen wollen, sorgen sich die Eltern, dass ihre Kinder beim Auftreten eines bestimmten „Merkmals“ schon im Kindergarten als potentielle_r Highschoolabbrecher_in behandelt wird.
Natürlich sind auch in Deutschland und bei weniger daten-orientierte Lehranstalten Bildungskarrieren alles andere als frei von Vorurteilen, der Politico-Artikel zeigt aber schön wie viele Interessensgruppen auftauchen, wenn es darum geht vermeintlich objektive Daten nutzbar zu machen. Sei es, weil Industrien Absatzmärkte für Sensoren sehen, Assessmentcenter neue Datenquellen zur Vorauswahl wittern oder Arbeitgeberverbände auf die Förderung wirtschaftlicher nutzbareren Unterrichts einwirken wollen. Bin gespannt wie sich diese Initiativen weiter entwickeln.
Ich hab nur die Hälfte wiedergegeben, also: Lesen
- Zitiert nach Stephanie Simon, „Big Brother: Meet the Parents“ erschienen 5.6.2014 auf Politico.com [↩]
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