Ich bin mir sicher die PR Abteilung bei Generali feiert sich dafür, dass ihre eigentlich ziemlich lahme Pressemitteilung – über die Ankündigung der Planung der Entwicklung einer App für Krankenversicherte – es nach einer Erwähnung im SZ Blog bis auf Tagesschau.de geschafft hat. Heise berichet auch.
Generali will bei der Entwicklung mit der südafrikanischer Versicherungsgesellschaft „Discovery“ zusammenarbeiten und viel mehr gibt es auch nicht zu berichten. Online ist weder ein Betaversion noch ein Konzept der App zu finden mit der Versicherte verschiedene Aspekte ihres Verhaltens an den Versicherer melden können sollen. Discoveries aktuelle Versicherungsmodelle enthalten bisher auch nichts, was in die Richtung geht. Ihre als präventive Gesundheitsversorgung daherkommende Biopolitik ist eher ein klassisches Anreiz-Bonussystem. Wer nachweisbar an Fitnesskursen teilnimmt kriegt Rabatte bei Sportgerätehändler_innen und verbilligte Mitgliedschaften bei WeightWatchers.
Wesentlich näher an das was bei der SZ an Sorgen formuliert wird ist HumanaVitality, eine App vom US-amerikanischen Versicherer United Healthcare (Youtube-Werbevideo hier) auf den der SZ-Artikel eher am Rand verweist. Über das in Apples iOS integrierte HealthKit kann man dort Fitnessdaten abspeichern, an Wettbewerben teilnehmen und sich mit allen möglichen Infos versorgen. Aber auch hier droht bisher keine individualisierte Beitragshöhe. Stattdessen lässt sich Schweiß gegen Punkten eintauschen, einen Fitnesscoach kontaktieren oder ein Rabatt auf gesunde Lebensmittel (bei Walmart) abgreifen.
Präventive Krankenkassen
Im ersten Moment denkt man, die Amerikaner_innen wären da schon weiter als die Gesundheitsbürokratie hier, aber selbst die Barmer bietet ein Bonuspunkteprogramm. Dort kann man auf Prämienjagd gehen, indem man sich im Fitnessstudio anmeldet, Vorsorgeuntersuchungen macht oder nachweisen lässt, dass man normalgewichtig ist. Bei der TK gibt es sogar ein Bonusprogramm für die Teilnahme an Kursen, das mit bis zu 200 € abgegolten wird. Präventive Maßnahmen bieten Krankenkassen also auch hier schon eine Weile.
Die freiwillige, technische unterstütze Überwachung scheint da also eher ein Zusatzangebot zu werden für diejenigen, die ihre Sportlichkeit lieber außerhalb der angebotenen Kurse ausleben wollen und trotzdem finden, dass sie eine Belohnung verdient haben. Und so lange nicht Krankenkassen die Geräte gratis an ihre Mitglieder ausgeben besteht vermutlich keine Gefahr, dass sich das all zu weit verbreitet. Der Hype wandert schließlich schnell, Fitnesstracker verlieren schon gegen Smartwatches und das nächste große Ding sind sowieso eher smarte Textilien.
Darüber hinaus scheint mir das Geschäftskonzept der Krankenkassen (zumindest im Ausland) in erster Linie nicht der_die gesunde Patient_in zu sein, und damit die Reduktion von zukünftigen Versorgungskosten, sondern die Generierung von zusätzlichen Einnahmen. Das man die Bonuspunkte bei Walmart aber nicht bei Target einlösen kann und man Amazon statt Zalando Rabatte bekommt lassen die sich vermutlich eher bezahlen, als das es etwas kostet.
Überwachung Dritter ist wahrscheinlicher
Die Gefahr eines (indirekten) Zwangs zum Fitnessarmband durch die Krankenkasse besteht, zumindest in Deutschland, eh kaum. Solange es eine fixe Beitragshöhe für gesetzlich Versichert gibt droht keine individualisierte Tarifhöhe und Datenschutzgesetze, die bei gesundheitsbezogenen Daten besonders Ansprüche formulieren, gibt es ja auch noch. Man könnte sich höchstens sorgen, dass die Rabatte der einen durch Minderleistungen für die anderen querfinanziert werden.
Ich seh‘ dann auch schon einen weiteren Markt in den hippen Großststädten aufkommen, wenn die Ich-geh-mit-ihrem-Hund-Gassi-Dienstleister_innen eine Tasche voll Fitnessarmbänder mit sich rumschleppen (oder gleich dem Hund umbinden), könnten sie sich das mit 10% der Prämie bezahlen llassen.
Für wesentlich realistischer halte ich eher das Szenario, dass Fitnesstracking zur Überwachung in den klassischen Einschließungsmilleus wie Pflegeheimen und Krankenhäusern eingesetzt wird. Und zwar nicht zur Prävention von zukünftigen Erkrankungen sondern beim Management derjenigen die bereits krank sind. Im Pflegeheim ließe sich mit einem Bewegungsarmband zum Beispiel tracken ob die abgerechneten Leistungen auch tatsächlich erbracht oder mit den Daten die Pflege (auf ein finanzielles Minimum hin) optimiert werden.
„Hat der_ie Opa_ma tatsächlich heute 15 mal in 10 Minuten mit dem_r Pfleger_in zusammen die Arme zum Training gehoben? Ist er_sie tatsächlich die abgerechneten 500 meter im Rollstuhl geschoben worden? Die Pflege-App für Angehörige verschafft Klarheit.“ – Potentielle Werbeanzeige der Zukunft.
Im Gegensatz zum bürgerlichen Lager, dass die freie Wahl der Fettleibigkeit nicht nehmen lassen wird – es sei an den Aufsstand gegen den Veggieday erinnert – lohnt sich ein Aufschrei im Interesses der Lobby der nicht-mehr-voll-partizipationsfähigen und der Geringfügigbeschäftigten für Presse wie die Parteien der „Mitte“ kaum.
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