Viele Bundesländer haben in den vergangenen Jahren Pilotstudien zu Predictive Policing angekündigt, aber bisher hat man nur wenig darüber erfahren. Für Baden-Württemberg, wo PRECOBS getestet wurde, ist jetzt die erste, wissenschaftliche Begleitstudie erschienen, die Einbruchsmuster erkennen und „vorhersagen“ soll.

Dabei zeigt sich, was sich schon in Zürich angedeutet hat: Der Einfluss der Software auf die absoluten Einbruchszahlen ist gering, es funktioniert, wenn überhaupt, nur in Städten und die Datenqualität ist wichtig, produziert aber auch mehr Arbeit.

Das offiziell Fazit des P4 Projektes ist – wenig überraschend – positiver formuliertes gäbe „Indizien“ der Wirksamkeit. Darüber hinaus birgt der ausführliche und auch gut gemachte Bericht einige interessante Details über die Software und ihren konkreten Einsatz in der Polizeiarbeit.1

PRECOBS: Visualisierung von Near Repeats

PRECOBS arbeitet mit der Near Repeat Hypothese. Die besagt (ganz verkürzt): Wenn irgendwo eingebrochen wird steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich das in naher Zukunft in der Umgebung nochmal wiederholt. Konkret definiert PRECOBS diese „Near Repeat Area“ als das Gebiet im Umkreis von 500 Metern (plus einer Randzone) um den ursprünglichen Tatort und „in naher Zukunft“ meint: innerhalb der nächsten Woche.

Diese Hypothese ist in mehreren Studien untersucht und bestätigt worden, ist aber nicht allgemeingültig, sondern funktioniert vor allem für Einbruchsserien (z.B. derselben Täter*innen). Bei PRECOBS fließen mehrere solcher Faktoren als so genannte „Near Repeat Trigger“ in die Analyse mit ein. Nur wenn“Tatörtlichkeit (Haustyp, Lage etc.), Beute und Modus Operandi“ (S. 19) bestimmte Kriterien erfüllen wird ein Alarm ausgelöst. Die Software hat darüber hinaus eine „Sommer“- und eine „Winter“-konfiguration, die die Alarme beeinflussen, da Wohnungseinbrüche im Winter vor allen in den frühen Abenstunden (zwischen 16 und 20 Uhr) stattfinden, während sie im Sommer gleichmäßiger verteilt sind (ebd. S. 18).

Im laufenden Betrieb werden dann über die Tatmerkmale eines Einbruchs und dessen geografische Lage letztlich über „Wenn-dann-Entscheidungen“ Prognosen generiert. Diese würden Polizeibeamte aufgrund eigener Erfahrungen in ähnlicher Weise treffen, durch das Programm geschieht dies jedoch in deutlich kürzerer Zeit. (S.26 f.)

Wenn mehre Merkmale zusammen kommen (die Gegend ist auf Grund ihrer Bebauung gut geeignet für Serieneinbrüche, und an einem anderen Tatort werden weitere Merkmale gefunden), dann löst die Software einen Alarm aus. Anders als in vielen Artikeln die dem Computer vollständige Handlungsmacht und künstliche Intelligenz zuschreiben zeigt sich, dass PRECOBS allem ein Tool zur Visualisierung von Daten ist, die nach sehr einfachen Regeln auswertet werden.

Einsatz in Baden-Württemberg

Getestet wurde PRECOBS von im Jahresübergange 2015/2016 in zwei Polizeipräsdien, Stuttgart und Karlsruhe. Wobei ersteres vor allem stark urbanisierte Gebiete umfasst während die Polizei Karlsruhe auch für einen größeren, ländlich geprägteren Bereich zuständig ist.

Konkret wurden drei mal täglich Berichte aus dem ComVor genannten Vorgangsbearbeitungssystem der Polizei in Precobs importiert. PRECOBS löst dann Alarme aus, die von den Operator*innen angenommen oder abgelehnt werden können. Das allerdings nur in den sogenannten „Near Repeat affinen“ Zonen. Darüber hinaus konnten die Benutzer*innen von PRECOBS sich die Daten aber auch selbst anschauen und Alarme als „Operatorprognosen“ auslösen, z.B. weil die Einbrüche in Randzonen der Near Repeat affinen Bereiche lagen. Im Anschluss wurde ein PDF exportiert und an die entsprechenden Dienststellen weitergeleitet werden.

„Die gesteuerten Alarmmeldungen beinhalten stets einen operativen Kreis […], in dem Folgedelikte erwartbar sind, der deshalb vermehrt zu bestreifen ist […]“ (ebd. S. 28)

Über einen Zeitraum von sechs Monaten wurden über PRECOBS 206 Alarme generiert von den Operatoren 89% (189) angenommen (also manuell geprüft und dann erst weitergeleitet haben). In Stuttgart gab es höhere Fallzahlen, was der Autor auf einen höheren Anteil von „Operatorprognosen“ zurückführt (62% im Vergleich zu 22%). Das sind solche Alarme, bei denen die Wenn-Dann-Entscheidungen des Systems nicht angeschlagen haben, aber stattdessen die Nutzer*innen nach manuelle Prüfung fanden, dass ein Tatort auf einen „Near Repeat“ hinweise. In Stuttgart lagen zudem 2/3 aller Delikte in alarmrelevanten Zonen, im ländlichen Bereich dagegen nur (4-11%). Für die löst das System quasi nie einen Alarm aus. Konkrete sind in Baden-Würtemberg solche  Zonen vor allen in der Nähe von Schnellstraßen zu finden. Ein weitere Trigger sind Bebauungen mit Doppelhaushälften. Im Vergleich zu den absoluten Einbruchzahlen zeigt sich, dass nur ein knappes Viertel der Einbrüche die Kriterien erfüllten, um einen Alarm auszulösen.

Der Alarm ist allerdings nur das eine, was danach passiert ist wesentlich wichtiger um tatsächlich Einbrüche zu verhindern. Insgesamt, zählt der Bericht auf, wurden pro Alarm 48 Einsatzstunden aufgewendet. Dabei wurden dann im Schnitt 16 Personen kontrolliert. Es gab auch mehrere Festnahmen, allerdings nur eine wegen eines tatsächlichen Einbruchs und weitere bei denen „Tatmittel“ gefunden wurde.

Wirksamkeit: Wer sucht, der findet.

Die Entwicklung von Einbruchskriminalität in Baden-Würtemberg. In den ersten beiden „PPen“ wurde PRECOBS benutzt. Stuttgart konnte zwar einen Rückgang verzeichnen in Karlsruhe stagnierten die Zahlen aber. Ähnliches lässt sich auch in Gegenden beobachten, in denen PRECOBS nicht eingesetzt wurde.
Quelle: Gerstener Abb. 16 S. 36

Wie schon erwähnt kann PRECOBS in absoluten Zahlen nicht überzeugen. In Stuttgart setze sich ein Trend zu weniger Einbrüchen fort, den man nicht PRECOBS zuschreiben kann, in Karlsruhe zeigt sich keine Veränderung. Für unwirksam erklärt wird PRECOBS trotzdem nicht. Das eigentlich Ziel von sei ja vor allem  präventiv zu wirken und Einbruchsserien durch Abschreckung zu verhindern.

Wirksam ist PRECOBS dann, wenn man die Metrik anpasst. Statt den absoluten Zahlen analysiert die Studie ausführlich den Einfluss von PRECOBS auf die Anzahl der tatsächlichen Near Repeats in Zusammenhang mit den durchgeführten Maßnahmen (Streifen). Tatsächlich deuten die Zahlen darauf hin, dass PRECOBS in Kombination mit den polizeiliche Maßnahmen dazu führen, dass weniger Near Repeats passieren. Das allerdings unter hohem Einsatz:

Doch sind mit einer Steigerung der Polizei-
dichte um 100 % […] gegenüber dem Basiswert im Alarmgebiet nur durchschnittlich 0,24 Near-Repeat-Folge-
delikte weniger zu erwarten. (S. 86)

Near Repeats machen, wie oben beschrieben, nur einen kleinen Teil der Einbrüche aus, und selbst diese Zahlen lassen sich unter hohem Personaleinsatz nur ein klein wenig drücken. Ein durchschlagender Erfolg sieht anders aus.

Es braucht schöne Daten

Teil der Studie war auch die Befragung der Mitareiter*innen, die direkt oder indirekt mit PRECBOS zu tun hatten, entweder als Nutzer*innen des Systems oder als die, die dann mehr Zeit auf Streife verbringen mussten. Das Feedback zeigt, dass die meisten den Einsatz von PRECOBS sinnvoll fanden, es aber eben auch zu mehr Aufwand führt. Genervt sind die Polizeibeamt*innen dabei scheinbar vor allem davon, dass die genauere und zeitnähere Datenerfassung, die gebraucht wird damit die nötigen Trigger erfasst werden, länger dauert und deswegen andere Dinge liegen bleiben müssen. Und: Je häufiger die Befragten auf PRECOBS Alarme reagieren musste, desto weniger stimmten sie einer dauerhaften Nutzung zu.

 

 

  1. Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf Gerstner, Dominik: Predictive Policing als Instrument zur Prävention von Wohnungseinbruchdiebstahl. Evaluationsergebnisse zum Baden-Württembergischen Pilotprojekt P4. Freiburg, edition iuscrim, (Erscheinungsdatum: 30.08.2017). []