An mir vorbeigegangen ist ein Beitrag der Tagesschau VideoBlogs zu Predictive Policing in Santa Cruz, der schon vor zwei Monaten online ging. In dem Beitrag wird der Einsatz von PredPol gezeigt, eine Software die dazu dient Polizist_innen gezielt dort einzusetzen wo mit hoher Wahrscheinlichkeit in ein Verbrechen zu erwarten sind.

PredPol wurde schon 2011 in Santa Cruz und LA getestet. Scheinbar waren die Tests erfolgreich genug, als dass die Software in einigen Städten Kaliforniens aber auch in Seattle und in Kent (England) eingesetzt (oder erprobt?) wird,

Screenshot aus der Vorstellungspräsentation

Screenshot aus der Projektpräsentation 2011 (Quelle)

Wesentliches Prinzip in der Datenanalyse ist der Vergleich von Ortsbezogenen-Verbrechen mit Erdbeben und Nachbeben, wie es Georg Mohler1 in dem Video erläutert. Die oben stehende Grafik zeigt die Anwendung des Modells zur Nachbebenvorhersage (unten) auf die Häufigkeit von Bandenkriminalität (oben) am Beispiel von Los Angeles. Anders als es die meisten Medienberichte erscheinen lassen ist PredPol aber nicht beliebige Verbrechen über Big Data magisch vorhersagen. Vorherberechnet werden können nur solche Verbrechen, die sich scheinbar analog zu Nachbeben ereignen. Im Video sieht man in einem kurzen Moment das iPad des Polizisten und die crime types die dort gelistet werden:

  • Vehicle Burglary
  • Burglary
  • Auto Theft
  • DW(=Dangerous Weapon2) Assault
  • Battery (=Körperverletzung)
  • Gang Activity
Quelle http://www.columbiasc.net/depts/city-council/docs/old_downloads/07_17_2012_Agenda_Items/PredPol%20One%20Pager%20Columbia%20Richland%20County%202012%20June.pdf

Älterer Screenshot der PredPol iPad App (Quelle)

Als Datenquellen für PredPol werden in dem Video reguläre Polizeiberichte, aber auch Wettervorhersagen und Informationen über öffentliche Verkehrsmittel erwähnt. Der Erfinder wünscht sich außerdem mehr Daten von Beobachtungen von Nachbarn. In einem anderen Bericht zu dem Thema werden zusätzlich Uhrzeiten, Wochentage, Urlaubszeiten, Mondphasen, aber auch städtische Veranstaltungen und paydays (also die Tage an denen es Lohn gibt) mit einbezogen.

Wenn die Kommentatorin in dem Tagesschaubeitrag mit einer gehörigen Portion Anti-Amerikanismus also behauptet, um Datenschutz würde man sich nicht kümmern, ist das falsch. Die genutzten Daten sind größtenteils, wie etwa Uhrzeiten, nicht personenbezogen und sie zu nutzen wäre auch in Europa legal. Und für die Fallakten würde ich mal annehmen, dass sie anonymisiert werden. Auf der Predpol Homepage steht dazu auch:

„Personal information about victims, offenders, or law enforcement is NOT collected, ever.“

 

Bestimmt ist PredPol wesentlich komplexer in seinen Analysen, aber auf den ersten Blick fallen einem schon relativ viele ‚Erkenntnisse‘ ein, die sich nur aus dem Zusammenführen der Datenarten ergeben: Schlechtes Wetter wirkt sich negativ auf Straßenkriminalität aus, im Sommer wird mehr eingebrochen, wie Leute im Urlaub sind, Nachts gibt’s mehr Überfälle und wenn am Monatsende kein Geld mehr da ist, ist die Wahrscheinlichkeit für Beschaffungskriminalität höher. Big Data in dem Sinn, dass beliebigen Daten wie z.B. noch aktuelle Ozon-Messwerte oder die Höhe des Fischbestands im nächsten Gewässer verarbeitet und korreliert werden ist das also nicht.

Die eigentliche Leistung von PredPol scheint, aber auch eh nicht in der Verbrechensbekämpfung zu liegen, auch wenn die Statistiken(!) in den Städten sich wohl positiv entwickeln, sondern in der einfachen Nutzung. Es gibt eine schicke iPad App (ist immer gut für’s Marketing), die Bereiche, die die Anwendung berechnet sind so klein, dass man nicht mehr rumfahren muss (spart Sprit) und die Polizist_innen müssen vor Ort nur noch ihre Stereotypenbrille aufsetzen und die Leute kontrollieren die ‚verdächtig‘ sind. Und neben der Querfinanzierung von IT-Firmen können die Städte natürlich auch noch n Haufen Personal sparen, was in jedem Bericht, den ich gefunden habe, weit oben auf der Pro-Liste steht.

Die Frage ist wie erfolgreich die Software auf Dauer sein kann. Da sie die Wahrscheinlichkeit von Verbrechen berechnet, die auf andere Verbrechen folgen (wie die Nachbeben) muss es erstmal ein Verbrechen geben und es muss frühzeitig in das System gelangen, damit Folgeverbrechen vorhergesagt werden können. Richtiges PreCrime, wie im oft zum Vergleich herangezogenen Film Minority Report ist damit also nicht möglich.

Es wäre auch interessant zu wissen, wie die Software mit ihren eigenen Effekten umgeht. Würde sie perfekt funktionieren und die Folgeverbrechen könnten verhindert werden, würde das Modell auf Dauer eigentlich nicht mehr passen. Die dynamische, spontane Anpassung, wie sie gegenüber anderen Tools der statistischen Polizeiarbeit (erwähnt wird mehrfach CompStat) hervorgehoben wird, müsste dann eigentlich herausfinden, dass, wenn viele Fälle so verlaufen wie im Tagesschau Video, auf größere Verbrechen nur kleine (wie Festnahmen wegen Drogenbesitz und Fahrraddiebstahl), folgen. Die wiederum sind in der Polizeistatistik aber gar nicht so wichtig sind, wie ich in The Wire gelernt haben und so würde auf Dauer kein ausrücken mehr empfohlen werden.

Naja und vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit bis gerade organisierte Kriminalität sich den Modellen anpasst und antizyklisch handelt (was sie vermutlich jetzt auch schon tut).

Titelbild purplejavatroll Lizenz: cc-by-sa

 

  1. ist Mathematiker und Erfinder des Mappings. Interessant auch die Wahrscheinlichkeiten die er sonst so berechnet, z.B. die Abhängigkeit zwischen Wohn- oder Arbeitsort eines überführten Verbrechers und dessen Einbrüche []
  2. http://www.amerusa.net/resource_documents/CriminalRecordAbbreviations.pdf []