PRECOBS – Einbrüche und Near Repeats

Bei Heise gab’s wieder Nachrichten über eine Predictive Policing Software. Nach längeren Tests in Zürich soll PRECOBS vom „Institut für musterabsierte Prognosetechnik“  (IfmPt) jetzt in Bayern helfen Einbrecher_innenbanden das Handwerk zu legen. Da sich die Berichterstattung über solche Software in letzter Zeit irgendwie häuft hab ich mich etwas damit und mit den Modellen, die dahinter stecken, beschäftigt.

Mehr Info: Hier geht’s zur Übersicht aller Beiträge und aktueller Berichte zu PRECOBS und Predictive Policing in diesem Blog.

Von der Homepage des "Instituts für Musterbasierte Prognosetechnik"

Von der Homepage des „Instituts für Musterbasierte Prognosetechnik“

Near Repeat

PRECOBS arbeitet, soweit die spärlichen Angaben auf der Homepage der Oberhausener Softwarefirma, mit der „Near Repeat“ Hypothese. Ähnliche wie PredPol, über das ich hier schonmal geschrieben habe, werden auf Basis gemeldeter Straftaten für angrenzende Gebiete Wahrscheinlichkeiten ermittelt, dass es dort ebenfalls zu ähnlichen Straftaten kommen könnte. PredPol hat behauptet, mit seinem aus der Erdbebenvorhersage kommenden Modell, die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Straftatkategorien erkennen  und daraus Eintrittswahrscheinlichkeiten von kriminellen Handlungen für bestimmte Planquadrate ermitteln zu können. Wichtig zu betonen: Es funktioniert nur für bestimmte Straftaten und es handelt sich nicht um Vorhersagen!

PRECOBS hat sogar ein noch eingeschränkteres Anwendungsfeld. Die Software ist spezialisiert auf die „spatio-termporale“ (so der in der Wissenschaft benutzte Begriff für Ort-und-Zeit) Wahrscheinlichkeitsberechnung von Einbrüchen. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Einbrüche, gerade wenn sie von organisierten Kriminellen begangen werden, scheinbar stärker Mustern folgen als andere Straftaten Seit den 90ern diskutieren Kriminolog_innen dazu die near repeat Hypothese die auch in zwei Studien für Brisbane (2003)1 sowie  für Long Beach (2009)2 bestätigt wurde.

 "Near Repets" passieren sowohl zeitlich als auch räumlich nah. Zumindest in Long Beach. Auf der Linkenseite die "Repeats" im Umkreis von 100 m. Rechts bei 3,9 bis 4 km. Auf der X-Achse das Zeitintervall. Die schwarze Linie zeigt eine zufällige Verteilung.

„Near Repeats“ passieren sowohl zeitlich als auch räumlich nah. Zumindest in Long Beach. Auf der Linkenseite die „Repeats“ im Umkreis von 100 m. Rechts bei 3,9 bis 4 km. Auf der X-Achse das Zeitintervall. Die schwarze Linie zeigt eine zufällige Verteilung.3

Neben den Belegen für die Hypothese lernt man bei der Lektüre der zweite Studie aber auch ganz gut, wie schwierig es ist solche Modelle auf die Realität anzuwenden. Die Autor_innen vergleichen die Daten der Einbrüche mit eine statistisch zufälligen Verteilung über Zeit und Orte. So konnten sie zeigen, dass es in dem untersuchten Zeitraum nicht-zufällige near repeats in einem Umkreis von 100 Metern, um ein Haus gibt in das eingebrochen wurde. Das ist für die Planung von Polizeistreifen sicherlich eine interessante Information. Allerdings liegen diese nicht nur räumlich sondern auch zeitlich sehr nah beieinander, d.h. Einbrecher_innen verschaffen sich häufiger noch in der selben Nacht bei dem_r Nachbar_in Zutritt. Während dem Modell die konkreten Werte der Parameter „räumlicher“ und „zeitlicher“ Abstand zum ersten Einbruch egal sind, macht es für die Planung der konkreten Polizeiarbeit einen großen Unterschied, ob überhaupt genug Zeit ist um einen Einbruch zu bemerken und dann vor Ort zu sein, um gegebenfalls weitere zu unterbinden.

Problem 1.  Datenerhebung

Nach der Long Beach Studie ist sinnvolle Polizeieinsatzplanung eigentlich nur dann möglich, wenn es quasi „Live“ Daten gibt, denn wenn die Anzeige erst am nächsten Morgen erfolgt (oder noch später) sind die Einbrüche in den Nachbarhäusern schon passiert.  Die Software könnte also höchstens helfen „predictive“ Falldokumentationen zu schreiben, das würde dann zumindest den bürokratischen Aufwand verringern. 🙂

Die Nützlichkeit der Modelle und der Software hängt aber nicht nur von der Geschwindigkeit der Meldungen/Datenerhebung ab, sondern auch davon, dass es überhaupt Daten gibt. Wie auch bei PredPol funktioniert die Verbrechensvorhersage nur, wenn es ein „initial“ Verbrechen gibt das dann auch gemeldet wird. Zeit und Ort des ersten Einbruchs einer Serie können nicht vermutete werden.

Problem 2. Datenqualität

Um die Einbruchsfälle besser vergleichen zu können, wurden für die „Long Beach“-Studie nur Einbrüche in Einfamilienhäusern betrachtet, da die Daten besser vergleichbar sind, wenn man nur ähnliche Wohnformen betrachtet. In der Brisbane Studie wird das „housing homogenity“ beschrieben und ist einer von zwei wesentlichen Faktoren. Die Regel die man  daraus für die Software ableiten kann ist, dass es in Wohngebiete mit (gut ausgestattet) Einfamilienhäusern mehr Serieneinbrüche gibt, als in stärker durchmischten Gebieten mit Mehrfamilienhäusern und/oder Gewerbeflächen. Das Anwendungsgebiet von Software wie PRECOBS ist also nicht nur auf eine bestimmte Verbrechensarten beschränkt, sondern kann auch nur für bestimmte (Wohn-)gebieten eingesetzt werden.

Eine zweite wichtige Variable in der Brisbane Studie ist im übrigen  die absolute Zahl der Einbrüchen in einer Gegend (target vulnarability). Der logische Move den die Software können muss, ist zu berücksichtigen, dass da wo mehr Einbrüche passieren.. mehr Einbrüche passieren.

Vorschusslorbeeren

Man kann dennoch festhalten: Die „Near Repat“ Hypothese ist bei bestimmten Verbrechen aussagekräftig (es gibt auch noch Studien die so Analysen auf Berichte von Schießereien in Houston und Philadelphia, aber mehr hab ich noch nicht gefunden), aber in der Praxis bringt sie einige Randbedingungen mit. Dass man nicht Einbrüche braucht, um die Wahrscheinlichkeit von weiteren zu berechnen, sondern auch noch zusätzliche Informationen wie die Bebauung einer Gegend kennen muss, um die Berechnungen einigermaßen zuverlässig zu machen.

In der Presse kommt das aber meist etwas weniger kompliziert und wesentlich erfolgreicher an. Weder der schweizerische Rundfunk noch Heise können der Verlockung widerstehen  der Software Eigenschaften zuzuschreiben, die es nach Sience Fiction klingen lassen;

Damit die Einbrüche weiter abnehmen, will die Polizei mithilfe einer deutschen Software Einbrüche vorhersehen. Das Computerprogramm soll ähnlich wie eine Wettervorhersage berechnen können, wann und wo Einbrüche stattfinden. –  SRF vom 26.03.2014

Das Unternehmen hat aber auch ordentliche dazu beigetragen, dass es nach Zukunft klingt was sie entwickelt haben, indem es sich selbst  „Institut“ deklariert und der Software einen Namen gab, der stark an den Polizeieinheit in Minority Report erinnert. Der Schweizer Rundfunk ist sogar so sehr im Film, dass sie die Software selbst in einem Bericht sogar „Precogs“ nennt, was im Film nicht die Polizist_innen sondern die unter Drogen stehenden, genmanipulierten Paramenschen sind die in einem Wassertank vor sich hin vegitieren.

Interessant ist aber auch die Darstellung in der Presseklärung des bayrischen Innenministeriums, dass die Software testen möchte.

„86 Prozent der Prognosen [in Zürich] waren zutreffend. Gleichzeitig gingen die Einbruchsfälle stadtweit in einem halben Jahr um knapp 40 Prozent zurück.“ –  Bayerns Innenminister Joachim Herrmann4

Mal angenommen die Software arbeitet wirklich nach dem oben beschriebenen near repeat Modell und berechnet, wo noch ein Einbruch passieren könnte, nachdem es bereits einen gab. Dann sagt der Innenminister das in Zürich in 86% der Fälle in denen die Software einen weiteren Einbruch prognostizierte auch wirklich einen gab. Soweit so gut,  der Abgleich von Traings- und Testdaten ist akzeptabel. Interessant wäre ja aber neben der Angabe der 14% zuviel prognostizierten Einbrüche (false-positives) natürlich auch die der zu wenig gemeldeten (false-negatives).

Geschickt argumentiert, ist dann die Verknüpfung mit dem zweiten Satz. Es gibt nämlich inhaltlich eigentlich keine Verbindung zwischen den gemachten Prognosen und sinkenden Einbruchsquote der gesamten Stadt. Aus anderen Meldungen erfährt man, das die Quote auch schon in den Vorjahren sank und die Software außerdem auch noch nur einem kleinen Teilbereich zum Einsatz kam.

Etwas mehr Fakten enthält die Presseerklärung der Softwarefirma. In den Gebieten in denen die Software eingesetzt wurde ist die rückläufige Zahl der Einbrüche  prozentual doppelt so stark gesunken wie in den übrigen (30% zu 14%). Das klingt schon nicht schlecht (auch wenn man nicht weiß, was das für die absoluten Zahlen bedeutet und was der Einsatz kostet) und ich muss zugeben, dass es natürlich schwierig ist den Erfolg einer Software nachzuweisen, wenn dieser darin besteht, dass die Datenbasis dünner wird, weil weniger Einbrüche gemeldet werden können.

Aber was das IfmPT außerdem, heranzieht finde ich nicht so überzeugend. Es wird herausgestellt, dass trotz einer geringeren Zahl an Einbrüchen die Zahl der Verhaftungen gestiegen ist. Predictive Policing und Racial Profiling gehen da Hand in Hand. Wenn man möglichst viele verhaftet, die irgendwie nach Einbrecher_in aussehen steigt auch die Warhscheinlichkeit, dass eine_r dabei ist der in Zukunft eine Strafdaten begehen wollte. Dazu kommt, dass der Druck bei so einem Test positive Resultate abzuliefern natürlich auch dazu führen kann, dass die Polizist_innen etwas übereifrig Personenkontrollen durchführen.

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Kaum mehr als Lagebilder

Im wesentlichen hab‘ ich bei der Recherche gelernt: Pre-Crime Software dient vor allem der Erstellung von Lagebildern. Ihre Hauptaufgabe ist es bekannte Zusammenhänge (In Einfamilienhäuser einbrechen lohnt sich, und die meisten Einbrecher_innen besuchen nicht nur eins) auf hübschen Karten darzustellen.

Sie arbeiten dabei NICHT personenbezogen sondern geografisch. Sie können NICHT beliebige Verbrechen (noch weniger solche die spontan sind) vorhersagen, sondern nur ganz bestimmt. Und sie können das auch NICHT für beliebige Gebiete etwas prognostizieren,, sondern nur dort wo es bereits Einbrüche gibt und diese auch gemeldet werden.

Folie aus einer Präsentation zu Predictive Policing

Quelle: „Predictive Policing, What It Is, What It Isn’t and Where It Can Be Useful“ – John S. Hollywood, Susan C. Smith, Carter Price, Brian McInnis, Walt Perry, NLECTC Information and Geospatial Technologies Center of Excellence

Ein interessantes Dokument, dass mir bei der Recherche auf die Festplatte gefallen ist, war im übrigen eine Präsentation mit dem Titel „Predictive Policing, What It Is, What It Isn’t and Where It Can Be Useful“ in der auch nochmal betont wird, dass die Software auch NICHT dabei hilft sich zu überlegen wir man mit den hübschen Prognosen umgeht. Wie die tatsächliche Polzeiarbeit auf der Straße aussehene soll muss dann immernoch diskutiert werden.

  1. Townsley, M., Ross Homel, and Janet Chaseling. 2003. „Infectious Burglaries. A Test of the Near Repeat Hypothesis.British Journal of Criminology 43(3):615–33. []
  2. Short, M. B., M. R. D’Orsogna, P. J. Brantingham, and G. E. Tita. 2009. “Measuring and Modeling Repeat and Near-Repeat Burglary Effects.Journal of Quantitative Criminology 25(3):325–39. []
  3. Quelle: siehe Fußnote 2 []
  4. Quelle: Presseerklärung des Bayrischen Innenministeriums vom 06.08.2014 []

Kategorien: Sicherheit

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