Es gibt immer wieder viel Lob für predictive policing Software. In Deutschland wird Precobs in den USA PredPol für ihre Vorhersagegenauigkeit und Erfolge bei der Verbrechensbekämpfung gefeiert. Nachdem in Zürich ein erster Kurzeittest Test mit Precobs angeblich super erfolgreich war (Tiefstand bei Einbrüchen in 5 Jahren, 14% Rückgang), gibt es jede Woche eine neue Großstadt, die zumindest einen Testlauf starten will. Eine Studie aus den USA, die 2012/2013 durchgeführt wurde, zeigt, dass Predictive Policing auf die Verbrechensraten eigentlich keinen Einfluss hat, sondern vor allem die  Polizeiarbeit strukturiert.

Beispiel für das in Shreveport eingesetzt Predicitve Policing. Die Farbe markiert die Wahrscheinlichkeit für einen Vergehen.

1. Beispiel für das in Shreveport eingesetzt Predicitve Policing. Die Farbe markiert die Wahrscheinlichkeit für einen Vergehen.  Quelle Hunt et.al übernommen aus Perry 20131

Eine erste, öffentlich bekanntgemachte Evaluation  von Predictive Policing Software wurde im vorletzten Jahr in Shreveport, einer 200.000 Einwohner_innenstadt in Lousiana, durchgeführt. Begleitet von dem Think Tank/der Non-Profit-Organisation RAND Corporation wurde über sieben Monate ein Vergleichstest gemacht.2 Drei Stadtbezirke setzten im Projekt PILOT eine nicht näher benannten Predictive Policing-Software zur Verbesserung der Verbrechensbekämpfung ein, drei fuhren fort wie bisher. Ich will hier den Abschlussbericht kurz zusammenfassen.

Keine verbesserte Verbrechensbekämpfung

Das wichtigste Ergebnis vorweg: Es gibt keinen statistischen Beleg, dass Predictive Policing einen größeren Effekt auf die untersuchten „property crimes“ (Einbrüche in Häuser und Autos) hat, als die dort bisher übliche Polizeiarbeit.

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2.. Unabhängig von der Methode der Prävention ist die Anzahl von (gemeldeten) Fällen in fast allen Bereichen gesunken.

Die drei Grafiken zeigen die Wirkungslosigkeit auf unterschiedliche Arten. Abbildung 2 zeigt, dass unabhängig von der Methode fast alle untersuchten Verbrechensarten im Vergleich zum Vorjahr rückläufig waren. Nur die Anzahl der „Auto bezogenen“ Verbrechen ist gestiegen, und das auch noch in einem Predictive Policing Stadtbezirk.

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3. Die Veränderung der Kriminalitätsraten im Vergleich. Zum Ende hin ändert sich das Verhältnis deutlich zum schlechten für die Stadtteile in denen Predictive Policing eingesetzt wird. Vermutlich ist es aber einfach nur Zufall.

Die dritte Abbildung lässt den PILOT eigentlich sogar noch schlechter darstehen. Predictive Policing hatte nur in den ersten Monaten einen positiven Effekten auf die Vebrechensraten. In den letzten Monaten der Projektlaufzeit kam es dann plötzlich aber wieder zu einem Anstieg. Das sollte man allerdings nicht überbewerten, denn Abbildung 4 zeigt, dass sich die Schwankungen im normalen Bereich bewegen und der Gesamttrend über die letzten fünf Jahre eher nach unten deutet.

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4. Vergleich der Kriminlitätsraten von „Property Crimes“ (Einbrüche, Vandalismus und so) in den teilnehmenden Stadtbezirken (Treamtment) und den Vergleichsbezirken (Control).

Im Prinzip sind die Zahlen ähnlich denen in Zürich. Es gibt einen allgemeinen Rückgang (in Shreveport um 7% in Zürich um 14%), der in den Bezirken mit predictive Policing stärker ist (in Shreveport 11% in Zürich  30%). Statistisch signifikant ist der Rückgang, zumindest in Shreveport, allerdings nicht. Für Zürich warten wir weiterhin auf Daten.

Arbeit und Struktur

Nun sind die Zahlen interessant, um dem Hype etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen, aber natürlich stellt sich die Frage nach der Generalisierbarkeit der Ergebnisse aus Shreveport. Die Autor_innen weisen zu Recht darauf hin, dass 7 Monate ein zu kurzer Zeitraum für einen Langzeittest sind. Um Jahresschwankungen (die in Abb. 3 auch erkennbar sind) auszugleichen müsste ein Test wesentlich länger dauern. Außerdem wurde nicht geklärt, ob die Vorhersagen schlecht sind oder einfach der Umgang (die Prävention die daraus folgen sollte) wirkungslos war.

Da die rein statistische Auswertung also mangelhaft ist, erläutern Sie noch ausführlich welche anderen Interessante Effekte der Softwareeinsatze hatte. Wesentlich positiver als die Zahlen wurde nämlich die allgemeinen Veränderungen in der Arbeitsstruktur gesehen,  die das Ausdrucken von bunte Karte (siehe Abb. 1) für den Polizeialltag hat.

Tatsächlich änderten sich in Shreveport die Karten nicht ständig, da einerseits nicht täglich Einbrüche gemeldet wurden und andererseits die markierten HotSpots (Problembezirk würde man das hier vermutlich nennen) häufig die selben waren.  Stattdessen dienten die Karten vor allen Dingen dazu Einsätze konkreter zu planen und die Präventivmaßnahmen zu organisieren.

Officers also reported that the maps made it easier to link a strategy with a location and with specific information; basically, they could concentrate their efforts. (ebd. S. 27)

Einige Polizisten haben angemerkt, dass der wirklich Wert des Einsatzes der Software darin lag, dass sich die Beziehungen zu den Bewohner_innen der Bezirke verbessert habe, dadurch das sie häufiger und gezielter nachgefragt haben und auch häufiger Tips bekamen (ebd. S.26).

Kosten

Solche weichen Faktoren sind aber natürlich im data-driven Management eher Nebensache, deswegen weißt die Studie auch noch einen Bereich aus, in dem messbare Erfolge erzielt wurden. Zwischen 6 und 8 % der Kosten wurden in den Testgebieten eingespart, vor allem durch effizienteren Einsatz der Streifenwagen.

Immerhin wird’s nichts schlimmer

Predictive Policing kann also keine Verbrechen verhindern, aber zumindest wird’s auch (vermutlich) nicht schlimmer aber dafür billiger, wenn sich die Streifen auf bestimmte Bereiche konzentrieren. So könnte man das Fazit der Studie zusammenfassen.

Die Autor_innen betonen mehrfach, dass weitere Studien gemacht werden müssen, um Langzeiteffekte sichtbarer zu machen. Sie merken aber an, dass sich die Verbesserungen in dem sozio-technischem System Polizeiarbeit vor allem auf die eher sozialen Aspekte wie  Arbeitsstruktur auswirken. Daher schlagen sie vor, dass man nicht unbedingt eine Vorhersagesoftware einsetzen muss, sondern einfach eine gute Karte mit „Hot Spots“ generiert, die nur zeigt wo etwas passiert ist. Predictive Policing ohne Prediction also. Stattdessen strukturierte und überlegte Polizeiarbeit die mit den Bewohner_innen arbeitet.

  1. Perry, W. L., McInnis, B., Price, C. C., Smith, S., & Hollywood, J. S. (2013). Predictive Policing – The Role of Crime Forecasting in Law Enforcement Operations (Research Report No. RR-233-NIJ) (p. 186). RAND Corp. Online unter http://www.rand.org/pubs/research_reports/RR233.html []
  2. Hunt, P., Saunders, J., & Hollywood, J. S. (2014). Evaluation of the Shreveport Predictive Policing Experiment (Research Report No. RR-531-NIJ) (p. 84). RAND Corp. Frei verfügbar unter http://www.rand.org/pubs/research_reports/RR531.html []